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Die Geschichte der Stadt Davenport (part 2)
Page 505
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Pioniere der deutschen Presse. 491 dete Reichmann den "Wisconsin Republikaner", für dessen Einrichtung er das Geld lieferte. Schon in der ersten Wahlcampagne kam es zwischen Beiden zu ernsten Unannehmlichkeiten, weil Marschner zugunsten eines anderen Kandidaten plötzlich umsatteln wollte, während Reichmann zu dem Kandidaten hielt, den das Blatt von Anfang an unterstützt hatte. Es kam deshalb sogar zu einem öffentlichen Aufruhr; ein politischer Mob bedrohte die Druckerei, wurde aber von Reichmann, der mit zwei geladenen Gewehren an's Fenster trat, in respektabler Ferne gehalten. Als bald darauf Reichmann, so erzählte er später hier, sich auf einer längeren Kollektionstour durch die dünn besiedelten Landgegenden befand, lud Marschner den ganzen Kram auf und machte sich mit der Druckerei davon, zahlte später aber seinem Partner eine Abfindung von $200. In Milwaukee gab es ein sehr reges Deutschthum und die Gelegenheit für ein drittes Blatt, in Konkurrenz mit "Banner" und "Volksfreund" schien günstig. Brögh, Bauer und Kohlmann (später in "Coleman" amerikanisirt), gründeten die "Volkshalle", und Reichmann wurde zum Geschäftsführer gemacht, da keiner von den Eigenthümern etwas davon verstand. Das Blatt hatte eine kümmerliche Existenz, und diese besserte sich auch nicht, als Carl Rößler die Redaktion übernahm. Rößler war Mitglied des deutschen Parlaments gewesen. Zum Unterschied von einem anderen Mitglied dieses Namens wurde er nach seinem Heimathsort Rößler von Oels, und wegen seines gelben Nankinganzuges der "Reichskanarienvogel" genannt. Bei der neuen Zeitung haperte es beständig mit der Lohnzahlung. Geschäftsführer Reichmann theilte die zwischen gering und kümmerlich schwankenden Einkünfte gewissenhaft nach Verhältniß ihrer Ansprüche unter die Angestellten. Schließlich jedoch wurde die Zeitung von einer großen Schuldenlast unterdrückt, und der Scherif nahm Besitz von ihr. Einer nach dem Andern vom Personal, Redakteur und Setzer, ließ sich buchstäblich am Kragen hinauswerfen. Reichmann konnte dabei noch das einzige Geschäftsbuch retten und machte sich dann daran, so viel wie möglich von den ausstehenden Abonnementsgeldern der thatsächlich herrenlosen "Volkshalle" zu kollektieren, wobei er auf den Streifzügen zugleich seiner Jagdlust fröhnte. Es war eine Proletarierpoesie, wie sie mancher tüchtige deutschamerikanische Zeitungsmann jener Zeit kennen gelernt hat. Sie hatte auch ihr erschütterndes Pathos und ihre Tragik. Als Reichmann einst von seiner Kollektions-
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Pioniere der deutschen Presse. 491 dete Reichmann den "Wisconsin Republikaner", für dessen Einrichtung er das Geld lieferte. Schon in der ersten Wahlcampagne kam es zwischen Beiden zu ernsten Unannehmlichkeiten, weil Marschner zugunsten eines anderen Kandidaten plötzlich umsatteln wollte, während Reichmann zu dem Kandidaten hielt, den das Blatt von Anfang an unterstützt hatte. Es kam deshalb sogar zu einem öffentlichen Aufruhr; ein politischer Mob bedrohte die Druckerei, wurde aber von Reichmann, der mit zwei geladenen Gewehren an's Fenster trat, in respektabler Ferne gehalten. Als bald darauf Reichmann, so erzählte er später hier, sich auf einer längeren Kollektionstour durch die dünn besiedelten Landgegenden befand, lud Marschner den ganzen Kram auf und machte sich mit der Druckerei davon, zahlte später aber seinem Partner eine Abfindung von $200. In Milwaukee gab es ein sehr reges Deutschthum und die Gelegenheit für ein drittes Blatt, in Konkurrenz mit "Banner" und "Volksfreund" schien günstig. Brögh, Bauer und Kohlmann (später in "Coleman" amerikanisirt), gründeten die "Volkshalle", und Reichmann wurde zum Geschäftsführer gemacht, da keiner von den Eigenthümern etwas davon verstand. Das Blatt hatte eine kümmerliche Existenz, und diese besserte sich auch nicht, als Carl Rößler die Redaktion übernahm. Rößler war Mitglied des deutschen Parlaments gewesen. Zum Unterschied von einem anderen Mitglied dieses Namens wurde er nach seinem Heimathsort Rößler von Oels, und wegen seines gelben Nankinganzuges der "Reichskanarienvogel" genannt. Bei der neuen Zeitung haperte es beständig mit der Lohnzahlung. Geschäftsführer Reichmann theilte die zwischen gering und kümmerlich schwankenden Einkünfte gewissenhaft nach Verhältniß ihrer Ansprüche unter die Angestellten. Schließlich jedoch wurde die Zeitung von einer großen Schuldenlast unterdrückt, und der Scherif nahm Besitz von ihr. Einer nach dem Andern vom Personal, Redakteur und Setzer, ließ sich buchstäblich am Kragen hinauswerfen. Reichmann konnte dabei noch das einzige Geschäftsbuch retten und machte sich dann daran, so viel wie möglich von den ausstehenden Abonnementsgeldern der thatsächlich herrenlosen "Volkshalle" zu kollektieren, wobei er auf den Streifzügen zugleich seiner Jagdlust fröhnte. Es war eine Proletarierpoesie, wie sie mancher tüchtige deutschamerikanische Zeitungsmann jener Zeit kennen gelernt hat. Sie hatte auch ihr erschütterndes Pathos und ihre Tragik. Als Reichmann einst von seiner Kollektions-
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