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Die Geschichte der Stadt Davenport (part 2)
Page 575
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Antheil der Deutschen am Wirthschafts- und Geistesleben. 561 Lau, der 56 Jahre vorher mit seinen Eltern heirhergekommen war, über den Auszug aus dem Vaterlande: "Es ist noch keine hundert Jahre her, da lag auf diesen Gefilden noch das Schweigen der Wildniß. Der jetzige Staat Iowa befand sich noch im Urstande der Natur; die Axt hatte seinen Wald, die Pflugschar seinen Boden noch nicht berührt. Auf den unendlichen Grasfluren weidete die Büffelheerde. Durch die Einsamkeit des Urwaldes suchte der "Große Strom" den Weg zum Meere. Jahrtausende lang hatte der Boden auf Ansiedler gewartet, doch nun war die Zeit erfüllt und sie kamen. Auch aus dem deutschen Vaterlande, erst spärlich und vereinzelt; dann folgten Viele den Spuren Jener, die vorangegangen. Sie kamen, gedrängt von der Noth des Lebens, beseelt von dem Wunsche nach Verbesserung, erfaßt von dem uralten Wandertriebe der Germanen. Und es war Grund genug für sie vorhanden, die alte Heimath zu verlassen. Kläglich waren die Erwerbsverhältnisse; sie lasteten schwer selbst auf den Begüterten und Fleiß und Betriebsamkeit halfen dem Besitzlosen nicht weiter. Dazu kam des Vaterlandes politische Noth; schwer drückte Bevormundung von oben, Beamtenherrschaft und Polizeiwillkür auf das Leben des Volkes. Kein Wunder, wenn die Menschen am Vaterlande verzweifelten. Vom westlichen Strande des großen Meeres kam die Kunde von einem besseren Dasein: eine frohe Botschaft für die Mühseligen und Beladenen. Und es begann ein neuer "Auszug aus Egypten"; es begann die große Völkerwanderung der Neuzeit. Doch nicht über Rhein und Alpen ging diesmal die Fahrt, nicht wie ehemals zogen sie aus, mit dem Schwerte in der Faust, das Recht der Stärke zu beweisen. Gedrückt und bekümmert gingen sie von dannen, zwischen Furcht und Hoffnung getheilt, die Seele bewegt von Sorge und Zweifel und der Abschiedsstunde nagendem Weh, den heimathlichen Heerd zu tragen in das fremde Land, in den fernen Welttheil, in die ungewisse Zukunft. Denn nicht mit leichtem Herzen sagen wir uns los von dem Lande, das uns gebar, wo einst die Wiege unserer Väter stand, wo auf beblumter Wiese, wo im Schatten alter Linden wir als Kinder spielten, wo auf dem dörflichen Kirchhof der Vorfahren Gebeine modern. Als das Segelschiff die Anker lichtete, da stand der Auswanderer auf dem Verdeck und blickte mit umflortem Auge nach der fernen Küste. Und als der letzte Streifen verschwand hinter den Wellenkämmen der Nordsee, da lag Heimath und Vaterland, Vergangenheit und Jugendzeit hinter ihm wie eine versunkene Welt. Fortan glich sein Dasein dem schwanken Fahrzeug, dem er sich anvertraute. Wie dieses nach dem fernen Hafen, so trieb er der Zukunft entgegen, den Launen des Zufalls ausgesetzt: ein Spiel der Wogen und der Winde. Als nach monathelanger Fahrt das Schiff den Hafen erreichte, als der nunmehrige Einwanderer nach beschwerlicher Landreise an seinen Bestimmungsort kam, da erwarteten ihn schwere Aufgaben.
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Antheil der Deutschen am Wirthschafts- und Geistesleben. 561 Lau, der 56 Jahre vorher mit seinen Eltern heirhergekommen war, über den Auszug aus dem Vaterlande: "Es ist noch keine hundert Jahre her, da lag auf diesen Gefilden noch das Schweigen der Wildniß. Der jetzige Staat Iowa befand sich noch im Urstande der Natur; die Axt hatte seinen Wald, die Pflugschar seinen Boden noch nicht berührt. Auf den unendlichen Grasfluren weidete die Büffelheerde. Durch die Einsamkeit des Urwaldes suchte der "Große Strom" den Weg zum Meere. Jahrtausende lang hatte der Boden auf Ansiedler gewartet, doch nun war die Zeit erfüllt und sie kamen. Auch aus dem deutschen Vaterlande, erst spärlich und vereinzelt; dann folgten Viele den Spuren Jener, die vorangegangen. Sie kamen, gedrängt von der Noth des Lebens, beseelt von dem Wunsche nach Verbesserung, erfaßt von dem uralten Wandertriebe der Germanen. Und es war Grund genug für sie vorhanden, die alte Heimath zu verlassen. Kläglich waren die Erwerbsverhältnisse; sie lasteten schwer selbst auf den Begüterten und Fleiß und Betriebsamkeit halfen dem Besitzlosen nicht weiter. Dazu kam des Vaterlandes politische Noth; schwer drückte Bevormundung von oben, Beamtenherrschaft und Polizeiwillkür auf das Leben des Volkes. Kein Wunder, wenn die Menschen am Vaterlande verzweifelten. Vom westlichen Strande des großen Meeres kam die Kunde von einem besseren Dasein: eine frohe Botschaft für die Mühseligen und Beladenen. Und es begann ein neuer "Auszug aus Egypten"; es begann die große Völkerwanderung der Neuzeit. Doch nicht über Rhein und Alpen ging diesmal die Fahrt, nicht wie ehemals zogen sie aus, mit dem Schwerte in der Faust, das Recht der Stärke zu beweisen. Gedrückt und bekümmert gingen sie von dannen, zwischen Furcht und Hoffnung getheilt, die Seele bewegt von Sorge und Zweifel und der Abschiedsstunde nagendem Weh, den heimathlichen Heerd zu tragen in das fremde Land, in den fernen Welttheil, in die ungewisse Zukunft. Denn nicht mit leichtem Herzen sagen wir uns los von dem Lande, das uns gebar, wo einst die Wiege unserer Väter stand, wo auf beblumter Wiese, wo im Schatten alter Linden wir als Kinder spielten, wo auf dem dörflichen Kirchhof der Vorfahren Gebeine modern. Als das Segelschiff die Anker lichtete, da stand der Auswanderer auf dem Verdeck und blickte mit umflortem Auge nach der fernen Küste. Und als der letzte Streifen verschwand hinter den Wellenkämmen der Nordsee, da lag Heimath und Vaterland, Vergangenheit und Jugendzeit hinter ihm wie eine versunkene Welt. Fortan glich sein Dasein dem schwanken Fahrzeug, dem er sich anvertraute. Wie dieses nach dem fernen Hafen, so trieb er der Zukunft entgegen, den Launen des Zufalls ausgesetzt: ein Spiel der Wogen und der Winde. Als nach monathelanger Fahrt das Schiff den Hafen erreichte, als der nunmehrige Einwanderer nach beschwerlicher Landreise an seinen Bestimmungsort kam, da erwarteten ihn schwere Aufgaben.
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