Transcribe
Translate
Die Geschichte der Stadt Davenport (part 2)
Page 577
More information
digital collection
archival collection guide
transcription tips
Antheil der Deutschen am Wirthschafts- und Geistesleben. 563 "...Der Entschluß zu einer Reise über das große Weltmeer war damals nicht leicht, und das Reisen überhaupt nicht so gebräuchlich und lange nicht so bequem wie heute. Die Auswanderung nach Amerika erschien als ein gefährliches Unternehmen und selbst eine Reise nach Hamburg kam dem dithmarscher Bauern vor als eine bedenkliche Sache; wer sie unternahm, machte zuvor sein Testament. Die Reise nach New York geschah auf Segelschiffen; diese wurden mit Passagieren vollgestopft. Die Ueberfahrt dauerte lange, monatelang, bisweilen gingen Lebensmittel und Wasservorrath auf die Neige, oder verdarben, dann entstanden Krankheiten und Sterbefälle. Die Landung in New York brachte etwas Abwechslung in die Geschichte; es wurde zwar nicht besser, aber doch anders. Schon auf dem Schiffe warnte man sich gegenseitig vor den "Runners" oder Schleppern, eine gefährliche Menschenklasse, die richtigen Seelenverkäufer. Man fiel von allen Seiten über die "Grünen" her; sie wurden übervortheilt von Gastwirthen, Lohnkutschern und Gepäckträgern; man gab ihnen falsches Geld und verkaufte den Unerfahrenen "Bogus"-Fahrkarten auf Dampfschiffen und Eisenbahnen. Nach mancherlei Erfahrungen und Aufregungen kam der Ansiedler schließlich an den Ort seiner Bestimmung. Der eingeborene Amerikaner betrachtete ihn mit Wohlgefallen als seine rechtmäßige Beute, freute sich über den Zuwachs der Bevölkerung, und zog ihm bei jeder Gelegenheit das Fell über die Ohren, denn er zeichnete sich aus durch jene gewissenlose Schlauheit, die im Verkehr mit Andern keine Rücksicht kennt, als nur den eigenen Vortheil. Es wird ja heutzutage viel über die menschliche Schlechtigkeit geklagt, aber es soll Niemand glauben, daß es früher besser gewesen sei. Im Gegentheil! Was jetzt als tadelnswerthe Ausnahme erscheint, war damals die beliebte Regel, und weil dieser Erwerbstrieb beinahe ausschließlich auf die Ausbeutung des Einzelnen angewiesen war, so war das eingewanderte Grünhorn ein gefundenes Fressen für die landesübliche Habgier. Ueberall mußte der Ankömmling theures Lehrgeld bezahlen; er ward im Handel und Wandel auf jede Art übervortheilt, bei Landkauf, bei der Ausstellung von Urkunden und Besitztiteln beschwindelt, mit werthlosen Banknoten angeschmiert, beim Kauf und Verkauf mit falschem Gewicht betrogen. Glaubwürdigen Mittheilungen zufolge sogar, wenn er im Courthaus seine Steuern bezahlte und dem betreffenden Beamten überließ, was dieser gerade verlangte. Wie sagte doch jene würdige Greisin, die leider nicht mehr unter uns weilt? "Die Yänkies ha'n os bedroge. Bedroge un besch-ummelt." Es giebt ein Sprichwort, welches besagt: Durch Schaden wird man klug, aber selten reich. Unsere Grünhörner wurden klug, so sehr, daß sie es bald mit dem geriebensten Yankee aufnehmen konnten, und trotz des Schadens, im Laufe der Zeit mehr oder weniger wohlhabend und sogar reich wurden. Es war noch kein Vierteljahrhundert vergangen, seit der deutschen Masseneinwanderung des Jahres 1847, da stellte es sich heraus, daß der Eingewanderte dem smarten Yankee im Kampf um's
Saving...
prev
next
Antheil der Deutschen am Wirthschafts- und Geistesleben. 563 "...Der Entschluß zu einer Reise über das große Weltmeer war damals nicht leicht, und das Reisen überhaupt nicht so gebräuchlich und lange nicht so bequem wie heute. Die Auswanderung nach Amerika erschien als ein gefährliches Unternehmen und selbst eine Reise nach Hamburg kam dem dithmarscher Bauern vor als eine bedenkliche Sache; wer sie unternahm, machte zuvor sein Testament. Die Reise nach New York geschah auf Segelschiffen; diese wurden mit Passagieren vollgestopft. Die Ueberfahrt dauerte lange, monatelang, bisweilen gingen Lebensmittel und Wasservorrath auf die Neige, oder verdarben, dann entstanden Krankheiten und Sterbefälle. Die Landung in New York brachte etwas Abwechslung in die Geschichte; es wurde zwar nicht besser, aber doch anders. Schon auf dem Schiffe warnte man sich gegenseitig vor den "Runners" oder Schleppern, eine gefährliche Menschenklasse, die richtigen Seelenverkäufer. Man fiel von allen Seiten über die "Grünen" her; sie wurden übervortheilt von Gastwirthen, Lohnkutschern und Gepäckträgern; man gab ihnen falsches Geld und verkaufte den Unerfahrenen "Bogus"-Fahrkarten auf Dampfschiffen und Eisenbahnen. Nach mancherlei Erfahrungen und Aufregungen kam der Ansiedler schließlich an den Ort seiner Bestimmung. Der eingeborene Amerikaner betrachtete ihn mit Wohlgefallen als seine rechtmäßige Beute, freute sich über den Zuwachs der Bevölkerung, und zog ihm bei jeder Gelegenheit das Fell über die Ohren, denn er zeichnete sich aus durch jene gewissenlose Schlauheit, die im Verkehr mit Andern keine Rücksicht kennt, als nur den eigenen Vortheil. Es wird ja heutzutage viel über die menschliche Schlechtigkeit geklagt, aber es soll Niemand glauben, daß es früher besser gewesen sei. Im Gegentheil! Was jetzt als tadelnswerthe Ausnahme erscheint, war damals die beliebte Regel, und weil dieser Erwerbstrieb beinahe ausschließlich auf die Ausbeutung des Einzelnen angewiesen war, so war das eingewanderte Grünhorn ein gefundenes Fressen für die landesübliche Habgier. Ueberall mußte der Ankömmling theures Lehrgeld bezahlen; er ward im Handel und Wandel auf jede Art übervortheilt, bei Landkauf, bei der Ausstellung von Urkunden und Besitztiteln beschwindelt, mit werthlosen Banknoten angeschmiert, beim Kauf und Verkauf mit falschem Gewicht betrogen. Glaubwürdigen Mittheilungen zufolge sogar, wenn er im Courthaus seine Steuern bezahlte und dem betreffenden Beamten überließ, was dieser gerade verlangte. Wie sagte doch jene würdige Greisin, die leider nicht mehr unter uns weilt? "Die Yänkies ha'n os bedroge. Bedroge un besch-ummelt." Es giebt ein Sprichwort, welches besagt: Durch Schaden wird man klug, aber selten reich. Unsere Grünhörner wurden klug, so sehr, daß sie es bald mit dem geriebensten Yankee aufnehmen konnten, und trotz des Schadens, im Laufe der Zeit mehr oder weniger wohlhabend und sogar reich wurden. Es war noch kein Vierteljahrhundert vergangen, seit der deutschen Masseneinwanderung des Jahres 1847, da stellte es sich heraus, daß der Eingewanderte dem smarten Yankee im Kampf um's
Germans in Iowa
sidebar