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Die Geschichte der Stadt Davenport (part 2)
Page 578
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564 Die Geschichte von Davenport. Dasein nicht nur ebenbürtig überlegen war, und ihn überflügelte in dem Streben nach Erwerb und Besitz. Das städtische Geschäft, der ländliche Grundbesitz, gesellschaftliche Bedeutung und politische Macht kamen nach und nach in die Hände der deutschen Ansiedler und ihrer Nachkommen; aber durch Fleiß und andere ehrliche Mittel. Diejenigen, die einst in thörichter Selbstüberhebung auf uns herab blickten, als auf untergeordnete Wesen, die uns nach Möglichkeit ausbeuteten und plünderten, kamen bald in die Lage, ihre vermeintliche Ueberlegenheit zu bezweifeln. Ein widerwilliger Respekt trat nothgedrungen an die Stelle jener vornehmen Geringschätzung, womit der Eingeborene zuerst auf die biedere Einfalt, auf die schlichte Lebensführung unserer Eltern herabsah! Ja, es ist ein schönes Ding um den Erfolg und um die Anerkennung, die derselbe mit sich bringt; es ist ein erhebendes Gefühl, nach langen, schweren Kämpfen über Schwierigkeiten und Hindernisse zu triumphiren. Man darf es uns nicht verdenken, wenn wir uns am heutigen Tage jener Empfindung überlassen. Wir haben erreicht, was für uns in den Grenzen des Möglichen lag. Unser Tageswerk ist nun so ungefähr zu Ende. Bald treten wir ab vom Schauplatz und überlassen ihn unseren Nachfolgern. Und wir möchten gern, daß dieselben das Werk unserer Hände weiterführen; daß sie eintreten für Alles, was wir als wahr und recht erkannten, als die Träger jener Grundsätze, die uns erfüllten und denen wir unsere Erfolge versanken, daß sie festhalten mögen an Allem, was gut und schön ist an deutschem Brauch und deutscher Sitte. Dieser bescheidene Wunsch wird sich wohl nicht verwirklichen. Die Kinder der Gegenwart gehen ihre eignenen Wege, haben andere Ziele und Bestrebungen als wir. Sie wenden sich ab von den Idealen ihrer Väter; das goldene Kalb beten sie an wie der Amerikaner und wie dieser verfallen sie in Verweichlichung und Schwäche. Auf mühelosen Lebensgenuß ist ihr Sinn gerichtet und allem Unangenehmen gehen sie meilenweit aus dem Wege. Zwar den echten germanischen Bierdurst haben sie von ihren Ahnen geerbt, und dies muß uns zum Troste gereichen, denn sonst wäre ja Hopfen und Malz an ihnen verloren. Wohl sind sie uns Alten in Manchem voraus, wohl stehen sie als freie Menschen auf dem Boden der modernen Weltanschauung; aus ihrem Leben sind die düsteren Schatten verschwunden, die eine unheilvolle Vergangenheit in die Seele unseres Volkes warf. Aber rechte Deutsche sind sie nicht mehr. In ihrem Geiste hat das Bild der alten Heimath keine Stätte; die zweitausendjährige Geschichte ihrer Vorfahren ist ihnen ein leeres Blatt; das Geistesleben ihres Stammvolkes ein Buch mit sieben Siegeln. Sie lesen nicht, was Goethe und Schiller geschrieben; sie singen nicht das deutsche Lied, womit wir uns einst die Seele begeisterten; nicht "Schleswig-Holstein stampf an die Wand" (ipse audivi), sondern die löblichen Gesänge von Annie Rooney, und von der "heißen Zeit in der Alten Stadt". Sie sprechen zwei Sprachen und verhunzen alle beide. Sie scheiteln sich das Haar in der Mitte, und unter diesem Scheitel ist ein mächtiges Gefühl von der
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564 Die Geschichte von Davenport. Dasein nicht nur ebenbürtig überlegen war, und ihn überflügelte in dem Streben nach Erwerb und Besitz. Das städtische Geschäft, der ländliche Grundbesitz, gesellschaftliche Bedeutung und politische Macht kamen nach und nach in die Hände der deutschen Ansiedler und ihrer Nachkommen; aber durch Fleiß und andere ehrliche Mittel. Diejenigen, die einst in thörichter Selbstüberhebung auf uns herab blickten, als auf untergeordnete Wesen, die uns nach Möglichkeit ausbeuteten und plünderten, kamen bald in die Lage, ihre vermeintliche Ueberlegenheit zu bezweifeln. Ein widerwilliger Respekt trat nothgedrungen an die Stelle jener vornehmen Geringschätzung, womit der Eingeborene zuerst auf die biedere Einfalt, auf die schlichte Lebensführung unserer Eltern herabsah! Ja, es ist ein schönes Ding um den Erfolg und um die Anerkennung, die derselbe mit sich bringt; es ist ein erhebendes Gefühl, nach langen, schweren Kämpfen über Schwierigkeiten und Hindernisse zu triumphiren. Man darf es uns nicht verdenken, wenn wir uns am heutigen Tage jener Empfindung überlassen. Wir haben erreicht, was für uns in den Grenzen des Möglichen lag. Unser Tageswerk ist nun so ungefähr zu Ende. Bald treten wir ab vom Schauplatz und überlassen ihn unseren Nachfolgern. Und wir möchten gern, daß dieselben das Werk unserer Hände weiterführen; daß sie eintreten für Alles, was wir als wahr und recht erkannten, als die Träger jener Grundsätze, die uns erfüllten und denen wir unsere Erfolge versanken, daß sie festhalten mögen an Allem, was gut und schön ist an deutschem Brauch und deutscher Sitte. Dieser bescheidene Wunsch wird sich wohl nicht verwirklichen. Die Kinder der Gegenwart gehen ihre eignenen Wege, haben andere Ziele und Bestrebungen als wir. Sie wenden sich ab von den Idealen ihrer Väter; das goldene Kalb beten sie an wie der Amerikaner und wie dieser verfallen sie in Verweichlichung und Schwäche. Auf mühelosen Lebensgenuß ist ihr Sinn gerichtet und allem Unangenehmen gehen sie meilenweit aus dem Wege. Zwar den echten germanischen Bierdurst haben sie von ihren Ahnen geerbt, und dies muß uns zum Troste gereichen, denn sonst wäre ja Hopfen und Malz an ihnen verloren. Wohl sind sie uns Alten in Manchem voraus, wohl stehen sie als freie Menschen auf dem Boden der modernen Weltanschauung; aus ihrem Leben sind die düsteren Schatten verschwunden, die eine unheilvolle Vergangenheit in die Seele unseres Volkes warf. Aber rechte Deutsche sind sie nicht mehr. In ihrem Geiste hat das Bild der alten Heimath keine Stätte; die zweitausendjährige Geschichte ihrer Vorfahren ist ihnen ein leeres Blatt; das Geistesleben ihres Stammvolkes ein Buch mit sieben Siegeln. Sie lesen nicht, was Goethe und Schiller geschrieben; sie singen nicht das deutsche Lied, womit wir uns einst die Seele begeisterten; nicht "Schleswig-Holstein stampf an die Wand" (ipse audivi), sondern die löblichen Gesänge von Annie Rooney, und von der "heißen Zeit in der Alten Stadt". Sie sprechen zwei Sprachen und verhunzen alle beide. Sie scheiteln sich das Haar in der Mitte, und unter diesem Scheitel ist ein mächtiges Gefühl von der
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