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Die Geschichte der Stadt Davenport (part 2)
Page 581
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Antheil der Deutschen am Wirthschafts- und Geistesleben. 567 der Zeit, denen die mißlichen und politischen Zustände der alten Heimath unerträglich geworden waren und die auf den Feldern der europäischen Revolution gekämpft und geblutet hatten. Stürmisch fühlten sie sich fortgedrängt in andere, Freiheit und Glück verheißende Sphären, und instinktiv wandten sie ihr Auge nach der großen Republik auf dem westlichen Erdtheil, in welcher sie ihre kühnen Erwartungen und freundlich winkenden Freiheitsträume verwirklichen zu können meinten. Die "lateinischen Farmer", hier wie überall im Lande, waren die Zielscheibe eines gutmüthigen Spottes ihrer Nachbarn. Der Volkswitz erzählt von Einem, daß er den Grund seines Ackers erst chemisch und mikroskopisch untersuchte, ehe er das Loch grub, in welches er einen Fenzpfosten einsetzen wollte. Sie lebten mit Jagen, Spielen und anderem hübschen Zeitvertreib lustig in den Tag hinein, bis das letzte Geld verputzt war. Als dann die Noth an die Thür pochte, war's mit der Romantik zu Ende, und die Herren zerstreuten sich nach verschiedenen Richtungen, um den Lebenskampf mit wirksameren Waffen von neuem aufzunehmen. Viele fanden in größeren Städten Beschäftigung, die ihrem Wissen und Können besser zusagte; andere arbeiteten zeitweilig als Tagelöhner, vielleicht für 50 Cents den Tag, bis bessere Zeiten kamen. Bei Ausbruch des Bürgerkrieges traten viele, namentlich fast alle früheren Offiziere in das Unionsheer, wo sie mit Ehre und Auszeichnung dienten. Flotte, auch wohl lockere und leichtsinnige Gesellen, denen das Geld nur Chimäre war, sind diese Lateiner fast durchweg gewesen. Die meisten waren noch junge Leute. Aber ein guter Kern steckte in ihnen, und als der Most erst ausgetobt war, wurden sie auch mehre oder weniger "praktisch", ohne daß dadurch ihr Idealismus und Freiheitssinn Abbruch erlitten hättdn. Es ist ja auch wohl erklärlich, daß Leute von so regem Temperament wie diese sich, sobald die ersten Schwierigkeiten überwunden und die utopischen Träume von einem deutschen Staat in Amerika und einer Revolutionirung Europas verflogen waren, sich auch in ihrer neuen Umgebung geistig mächtig fühlbar machten. Nicht nur stifteten sie unter sich freisinnige Vereinigungen verschiedener Art, sowie literarische, musikalische und andere ähnliche Zusammenkünfte, durch die sie bildend auf weitere Kreise ihrer Landsleute einwirkten, sondern sie nahmen auch den lebhaftesten Antheil an der Entwicklung ihres neuen Heimathlandes. Ihre Stimmen erhoben sich nicht nur in den vielen deutschen Zeitungen, sondern auch bei ihren amerikanischen Mitbürgern und im Rathe der Parteien wußten sie sich Gehör zu verschaffen, nachdem ihre Zunge sich an die fremde Sprache gewöhnt hatte. Unsere jüngeren Zeitgenossen sind im Irrthum, wenn sie behaupten, das Deutschthum in Amerika sei erst nach dem für Deutschland so glorreich beendigten Franzosenkriege und durch die großen deutschen Siege zu Ehren und Ansehen erlangt. Das ist, wie gesagt, ein Irrthum. Richtig dagegen ist es, daß jene glänzenden Waffenthaten unserer Brüder von 1870 und 71 die anderen Nationalitäten zur Bewunderung und zum Respekt vor Deutschland gezwungen haben, welches in seiner vor-
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Antheil der Deutschen am Wirthschafts- und Geistesleben. 567 der Zeit, denen die mißlichen und politischen Zustände der alten Heimath unerträglich geworden waren und die auf den Feldern der europäischen Revolution gekämpft und geblutet hatten. Stürmisch fühlten sie sich fortgedrängt in andere, Freiheit und Glück verheißende Sphären, und instinktiv wandten sie ihr Auge nach der großen Republik auf dem westlichen Erdtheil, in welcher sie ihre kühnen Erwartungen und freundlich winkenden Freiheitsträume verwirklichen zu können meinten. Die "lateinischen Farmer", hier wie überall im Lande, waren die Zielscheibe eines gutmüthigen Spottes ihrer Nachbarn. Der Volkswitz erzählt von Einem, daß er den Grund seines Ackers erst chemisch und mikroskopisch untersuchte, ehe er das Loch grub, in welches er einen Fenzpfosten einsetzen wollte. Sie lebten mit Jagen, Spielen und anderem hübschen Zeitvertreib lustig in den Tag hinein, bis das letzte Geld verputzt war. Als dann die Noth an die Thür pochte, war's mit der Romantik zu Ende, und die Herren zerstreuten sich nach verschiedenen Richtungen, um den Lebenskampf mit wirksameren Waffen von neuem aufzunehmen. Viele fanden in größeren Städten Beschäftigung, die ihrem Wissen und Können besser zusagte; andere arbeiteten zeitweilig als Tagelöhner, vielleicht für 50 Cents den Tag, bis bessere Zeiten kamen. Bei Ausbruch des Bürgerkrieges traten viele, namentlich fast alle früheren Offiziere in das Unionsheer, wo sie mit Ehre und Auszeichnung dienten. Flotte, auch wohl lockere und leichtsinnige Gesellen, denen das Geld nur Chimäre war, sind diese Lateiner fast durchweg gewesen. Die meisten waren noch junge Leute. Aber ein guter Kern steckte in ihnen, und als der Most erst ausgetobt war, wurden sie auch mehre oder weniger "praktisch", ohne daß dadurch ihr Idealismus und Freiheitssinn Abbruch erlitten hättdn. Es ist ja auch wohl erklärlich, daß Leute von so regem Temperament wie diese sich, sobald die ersten Schwierigkeiten überwunden und die utopischen Träume von einem deutschen Staat in Amerika und einer Revolutionirung Europas verflogen waren, sich auch in ihrer neuen Umgebung geistig mächtig fühlbar machten. Nicht nur stifteten sie unter sich freisinnige Vereinigungen verschiedener Art, sowie literarische, musikalische und andere ähnliche Zusammenkünfte, durch die sie bildend auf weitere Kreise ihrer Landsleute einwirkten, sondern sie nahmen auch den lebhaftesten Antheil an der Entwicklung ihres neuen Heimathlandes. Ihre Stimmen erhoben sich nicht nur in den vielen deutschen Zeitungen, sondern auch bei ihren amerikanischen Mitbürgern und im Rathe der Parteien wußten sie sich Gehör zu verschaffen, nachdem ihre Zunge sich an die fremde Sprache gewöhnt hatte. Unsere jüngeren Zeitgenossen sind im Irrthum, wenn sie behaupten, das Deutschthum in Amerika sei erst nach dem für Deutschland so glorreich beendigten Franzosenkriege und durch die großen deutschen Siege zu Ehren und Ansehen erlangt. Das ist, wie gesagt, ein Irrthum. Richtig dagegen ist es, daß jene glänzenden Waffenthaten unserer Brüder von 1870 und 71 die anderen Nationalitäten zur Bewunderung und zum Respekt vor Deutschland gezwungen haben, welches in seiner vor-
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